«Ich muss in jedem Ort in jedes Optikergeschäft gehen»

In der Rubrik «Check-in» beantworten Persönlichkeiten aus Kultur, Politik, Wissenschaft und Sport in jeder Ausgabe zwölf etwas andere Reisefragen. Im aktuellen Globetrotter-Magazin befragen wir den Schweizer Rapper Greis.

Ausgabe: 144 

 

1. Welche drei Adjektive charakterisieren dich als Reisenden am besten?

Zielstrebig, hungrig, risikofreudig.

2. Was war deine eindrücklichste Begegnung auf Reisen?

Auf einem Flug nach New York habe ich Flavor Flav von meiner damaligen Lieblingsband Public Enemy kennengelernt. Ich war 17 Jahre alt und hatte erst ein paar Wochen vorher mit Rap angefangen. Meine Aufgabe war, ihn mit Alkohol zu versorgen, da er beide Arme im Gips hatte. Im ­Gegenzug durfte ich ihn mit meinen pubertären Raps zulabern. Er ver­sicherte mir, dass ich der schlechteste Rapper war, den er in seinem ­ganzen Leben gehört hatte. Das hat mich motiviert. Zehn Jahre später ­begegneten wir uns wieder, als ich in Zürich vor Public Enemy spielen durfte. Es war ein sehr herzliches Wiedersehen.

3. Was kann dich auf Reisen aus der Fassung bringen?

Wenn Lieblingslokale geschlossen sind, obwohl sie laut Google geöffnet sein sollten. Oder wenn man in einer Gruppe unterwegs ist und ewig über das gemeinsame Tagesprogramm diskutieren muss.

4. Welche drei Gegenstände finden sich auf jeder Reise in deinem ­Gepäck?

Drei schwere Bücher, die ich ungelesen wieder nach Hause trage.

5. Was war das beste Essen, das du auf Reisen probiert hast?

Monjayaki, eine Tokioter Version von Okonomiyaki. Dabei wird die ­Teigmischung auf einem Tischgrill gebraten und mit einer Art Racletteschaber entfernt, ein bisschen wie wenn man Crêpes direkt von der Platte essen würde. Und das Philly-Cheesesteak von Katz’ Deli und die Helen Crab Rolls von Cherin Sushi in New York City.

6. Was hat dich das Reisen gelehrt?

Dass Strandferien mit Kleinkindern anstrengend sein können.

7. Gibt es etwas, auf das du beim Reisen nicht verzichten kannst?

Ich sammle alte Sonnenbrillen und komme auf keinen Fall an einem ­Optikergeschäft vorbei, ohne reinzugehen und sicherzustellen, dass keine alten Schätze vorhanden sind. Das heisst umgekehrt, dass ich den Zwang habe, in jedem Ort in jedes Optikergeschäft zu gehen. Das kann für meine Mitreisenden ganz schön anstrengend werden.

8. Welche Apps nutzt du auf Reisen?

Die Pflanzenerkennung-App Picture This.

9. Was ist dein Lieblingstransportmittel? Und warum?

Auf jeden Fall die U-Bahn. Weil sie so viel über eine Stadt und ihre Bewohnende erzählt.

10. Wohin würdest du reisen, wenn du noch Zeit für genau eine Reise hättest?

An einen Ort, an dem ich schon mal war. Wahrscheinlich zu Cherin Sushi an der East 6th Street in New York City. Deren Maki-Rollen mit frischem Krabbenfleisch aus Maine sind wohl das Lieblichste, was ich je gegessen habe.

11. Wenn du ein Land wärst, welches wärst du?

Wahrscheinlich Italien. Immer am Rande des Abgrunds und trotzdem voller Zuversicht.

12. Was tust du, wenn dich der Kulturschock trifft?

Meinen letzten Kulturschock hatte ich, als ich wieder in der Schweiz ­ankam, nachdem ich mit meiner Frau mehrere Monate in Tokio gelebt hatte. Trotz der viel geringeren Bevölkerungsdichte erschienen mir die ­Menschen hier als komplett rücksichtslos und frei von jeglichem ­Gemeinschaftssinn. Dann vergingen ein paar Tage, und ich wurde  wieder einer von ihnen.

Greis (44)

ist einer der einflussreichsten Schweizer Rapper, sein Album «Eis» von 2003 ein Meilenstein der Schweizer Musikgeschichte. Der Berner, bürgerlich Grégoire Vuilleumier-Küng, entstammt der Chlyklass-Crew und ist Teil der Band PVP. Mit dem Basler Gitarristen Benjamin Noti ist er ausserdem seit Jahren als musikalisches Duo Noti Wümié unterwegs. Er ist verheiratet, Vater eines Sohnes und führt den Secondhandladen The New New in Bern. Zuletzt nahm er im Song «Tag Wird Cho» Stellung gegen Sexismus und Homophobie im Rap und veröffentlichte mit «Ballöön» eine Hommage an alle Menschen, die unbezahlte Care-Arbeit verrichten. Unser Titelbild zeigt Greis auf den schildkrötenpanzerförmigen Steinen der Insel Kuminoshima («Insel der Schildkröten») im Süden Japans.
greis.ch
Instagram: greiseis

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