Tradition auf dem Eis – ein Tag beim Pimpelfiske

Mit der Stille des schwedischen Winters und einem Hauch von Abenteuer beginnt der Ausflug aufs Eis: Eisfischen ist nichts für Ungeduldige. Eingehüllt in dicke Winterkleidung wartet man weit draussen auf dem See auf die ersten, zaghaften Bewegungen der Angelschnur.

Und die Belohnung? Ein frisch gefangener Saibling, der über dem Feuer zur Delikatesse wird – oder doch die Bratwurst, die als Plan B im Rucksack steckt? Und vor allem unbezahlbare Momente am Puls der Natur.

Funäsdalen ist das nordische Zentrum Mittelschwedens, nur 30 Kilometer von der norwegischen Grenze und knapp drei Autostunden von Östersund entfernt. Funäsdalen liegt mitten im Nirgendwo, und doch nah an allem. Und das «Nirgendwo» ist wunderschön – sanfte Berge, malerische Seen, charmante Dörfer.

Zwischen den Orten spannt sich ein grosses und bestens gewartetes Netz aus Langlauf- und Schneemobil-Routen. Täler und Berge, die Skitrekker und Wanderer zum Jubeln bringen. Und dazwischen liegen endlose Flüsse und Seen, die das Herz einer jeden Anglerin höherschlagen lassen.

Der kleine, charismatische Skiort am Fusse des Funäsdalsberget bietet einen herrlichen Blick auf die Bergkette Skarvarna. Der See Funäsdalsjön bildet das Zentrum des Ortes Funäsdalen. Im Winter versteckt sich das Wasser unter einer meterdicken Eisschicht, die ihn zu einem perfekten Spielplatz für Outdoorfans macht. Quer über die Eisdecke führen Schneemobil-Routen, präparierte Loipen und Wanderwege.

Ich bin ein Draussen-Mensch, Outdoor liegt in meiner Genetik und das Nordische versprüht für mich einen ganz besonderen Charme. Mein Bewegungshunger ist enorm und am liebsten lebe ich diesen in Schnee und Kälte gemeinsam mit meiner Husky-Dame Ylvi aus.

Ich bin zu Besuch bei Helga und Johan, die vor einigen Jahren von Österreich nach Funäsdalen übersiedelten. Johan ist gebürtiger Schwede. Mit seiner Frau Helga und den vier Irish Setter wohnt er am Rande von Funäsdalen. Sie sind selbst grosse Outdoorfans, Jäger und Fischerin, und kennen ihre neue Heimat wie ihre Westentasche. Das Leben draussen, das «Friluftsliv», ist hier alltägliches Lebenselixier.

Helga und Johan erfüllen mir einen Wunsch auf meiner Bucket List – ich will Eisfischen! Hör ich da: «Wie langweilig?» Keineswegs! Denn in Schweden ist das Eisfischen kein Hobby eingefleischter Angel-Nerds, sondern ein geselliger Familienausflug. Johan packt das Schneemobil, lädt zwei der Vierbeiner in den Hundeanhänger und düst schon mal los zum Östersjön. Ein langgestreckter See bei Tänndalen, den Helga und ich auf Skiern mit der restlichen Hundebande ansteuern. Von Hållan geht es über eine tief verschneite Zufahrtsstrasse hinunter zum Ufer des Östersjön. Zahlreiche Inseln ragen aus dem Eis des Sees am Fusse des Rödfjället.

An einer windgeschützten Stelle in Ufernähe hat Johan bereits das Schneemobil geparkt und das erste Loch ins Eis gedrillt. Er hat eine Überraschung für mich: meine eigene Pimpel-Rute! Diese kurze Eisangel sieht fast wie ein Kinderspielzeug aus, ist aber ziemlich effektiv. Damit sitzt man direkt vor das ins Eis gebohrte Loch und bietet den in der Tiefe schwimmenden Seesaiblingen einen Köder an.

Als Fischer-Neuling bekomme ich von Johan einen Crashkurs im Angel-ABC, drille kurz darauf mein eigenes Eisloch und mache es mir auf einem Sessel mit Rentierfell bequem. Ylvi chillt daneben in der Sonne und auch die vier Irish Setter haben es sich mit Helga auf den Hundedecken gemütlich gemacht. Wir plaudern, grüssen zwischendurch andere Eisfischer, die im Schneemobil vorbeibrausen, trinken heissen Kaffee, starren ins Eisloch und hoffen. Jedes noch so zarte Ziepen und Zucken an der Angelschnur lässt meinen Herzschlag ein wenig beschleunigen.

Ich finde das Eisfischen unglaublich meditativ und weiss, dass hier der Funke für eine neue Leidenschaft übergesprungen ist. Der Saibling knabbert zwar an unseren dargebotenen Mehlwürmern, doch er beisst nicht an. Egal, dann landen eben die in weiser Voraussicht mitgebrachten Würstchen auf dem offenen Feuer, das Johan bei einer Unterstandshütte am Ufer entzündet hat.

Statt Saiblingsfilet halten wir die Bratwürste auf Stöckchen gespiesst ins Feuer und rollen sie später mit Rotebeete-Salat in Tunnbröd. Das traditionelle schwedische Fladenbrot ist dünn und weich.

Zwar schmecken die Würstchen herrlich, doch ich will zurück aufs Eis, um an einer vielversprechenden Stelle ein neues Loch zu bohren. Eisfischen ist hier besonders um Ostern eine beliebte Wochenend-Beschäftigung für die ganze Familie. Bald füllt sich das Eis mit unzähligen kleinen Gruppen, die allesamt ihre Pimpelfisk-Ruten ins Wasser halten. Da wundert es kaum, dass Funäsfjällen mit seinen 200 Bergseen und 300 km Fliesswasser auch in den Sommermonaten ein wahres Anglerparadies ist.

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